Ein Traum wird wahr

Auch in den letzten Tagen war der Winter aus Grimmlingen, dem kleinen Alpenort in der Nähe des Grüblertals, nicht gewichen. Eiszapfen hingen von den Dachrinnen, die Schneelast hatte schon den ein oder anderen Ast von den Bäumen gebrochen und eine dicke, weiße Decke lag über Häusern und Wiesen. Der Winterdienst hatte alle Hände voll zu tun und bereits frühmorgens dröhnten die schweren Motoren der Räumfahrzeuge durch die Stille der Dunkelheit. Für die Feiertage war weiterer Schneefall angekündigt und die ersten Menschen stöhnten schon, ob des nicht enden wollenden Schnees. Manch einer wusste schon nicht mehr, wohin mit dem Schnee, der Morgen für Morgen die Einfahrten bedeckte. Doch in dem kleinen Ort wurde Nachbarschaftshilfe groß geschrieben. Die Bauern fuhren mit voll beladenen Hängern den Schnee dort weg, wo kein Platz mehr war. Der Parkplatz in der Nähe des Sportplatzes war kurzerhand zu einer Schneesammelstelle umfunktioniert wurden.

Am Morgen des Heiligen Abends erwachte Juliane mit einem komischen Gefühl im Bauch. In der letzten Zeit war ihr morgens immer ein wenig übel. Bisher hatte sie es auf die zur Zeit überall grassierende Magen-Darm-Grippe geschoben, doch an ebendiesem Morgen kam ihr ein ganz anderer Gedanke. 'Was, wenn ich schwanger bin?', schoss es ihr urplötzlich durch den Kopf. Da sie später noch zum Supermarkt musste, würde sie auf dem Weg gleich noch in der Apotheke vorbeifahren und einen Test holen. Dann hätte sie Gewissheit. 'Vielleicht liegt es auch nur an dem ganzen Stress in der letzten Zeit', versuchte Juliane sich selbst zu beruhigen.

Sie stand auf, schlich – um Martin nicht zu wecken – leise aus dem Schlafzimmer und verschwand im angrenzenden Badezimmer. In angenehm warmen Strahlen floss das Wasser beim Duschen über ihre Haut. Langsam verschwand die Übelkeit und Juliane begann bereits sie zu vergessen als ihr Körper von einem unangenehmen Würgereiz erfasst wurde. Schnell kletterte sie aus der Dusche um sich wenig später würgend in die Kloschüssel zu übergeben.

Das leise Knarzen, das beim Öffnen der Badezimmertür entstand, nahm sie gar nicht wahr. Erst als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte, drehte Juliane den Kopf zur Seite. Erstaunt und gleichzeitig erschrocken starrte Nick ihr aus seinen blauen Augen entgegen.

„Juli?“ Nicks Stimme zitterte leicht. „Was ist los?“

Schnell stand die junge Frau auf, wischte sich mit dem Unterarm über ihren Mund und schloss kurz die Augen. „Alles gut, Kleiner“, versuchte sie Ruhe zu bewahren. „Mir war nur ein bisschen schlecht.“

„Soll ich Papa wecken?“

„Das brauchst du nicht, ich bin schon wach“, erklang Martins Stimme aus dem Flur. Kurz darauf erschien sein Kopf in der Tür. Irritiert schaute er zwischen Juliane, die splitternackt mitten im Badezimmer stand zu seinem Sohn. „Was macht ihr denn hier? Wieso bist du nackt und Nick ist mit im Badezimmer?“ Die Verwirrung stand Martin ins Gesicht geschrieben.

Verlegen griff Juliane nach ihrem Badetuch, wickelte es sich um ihren Körper und wollte gerade zu einer Antwort ansetzen als Nick das Reden schon übernahm.

„Ich bin wach geworden und wollte zu euch kommen. Und dann hab ich ein ganz komisches Geräusch aus dem Badezimmer gehört. Papa, ich hatte Angst, aber ich hab trotzdem die Tür aufgemacht. Juli hat ins Klo gekotzt. Ihr geht’s nicht gut“, plapperte der Junge los.

„Oh.“ Martin ging einen Schritt auf seine Freundin zu und nahm sie in den Arm. „Dir ist in letzter Zeit aber oft schlecht, Maus“, murmelte er leise, den Mund in ihrem nassen Haar verborgen. „Das sollte sich vielleicht doch mal ein Arzt angucken.“

„Geht bestimmt gleich wieder besser. Aber wenn es dich beruhigt, mach ich im neuen Jahr direkt einen Termin beim Hausarzt. So, und jetzt raus mit euch beiden. Ich muss mich fertig machen und dann sehen, dass ich die letzten Sachen fürs Abendessen abgeholt kriege.“ Juliane schob die beiden förmlich zur Badezimmertür heraus.

Innerhalb weniger Minuten war sie fertig angezogen, ein dezentes Make-up überdeckte ihre blasse Haut und verlieh ihrem Gesicht einen ausgeschlafenen und vor allem erholten Eindruck. Da hatte Martin wohl doch etwas mitbekommen die letzten Tage. Aber gut, sie würde später einen Test machen und wenn er positiv ausfiele, wüsste sie wenigstens woran es liegt. Ansonsten würde sie sich eben, zu Martins und auch ihrer eigenen Beruhigung, Anfang des neuen Jahres mit ihrem Arzt in Verbindung setzen. Unbewusst hatte sie sich während ihres Gedankengangs die Hände auf den Bauch gelegt und ein leises Lächeln umspielte ihre Lippen. „Platz genug für ein weiteres Kind wäre auf jeden Fall vorhanden“, erzählte sie ihrem Spiegelbild flüsternd. „Und die Weihnachtsüberraschung schlechthin wäre es überdies.“

Im Wintergarten saßen die drei kurz darauf zusammen beim Frühstück. Erstaunt registrierte Martin, dass Juliane trotz ihrer Übelkeit beherzt zugriff. Er versuchte jedoch, sich nichts anmerken zu lassen und beschloss, sich viel mehr darüber zu freuen. Dennoch schaffte er es nicht, seine besorgten Blicke in ihre Richtung zu unterlassen. Hoffentlich war es nichts Ernstes. Er würde es nicht verkraften, sie zu verlieren.

„Papa“, riss Nick Martin aus seinen Gedanken.

„Ja, Nick. Was gibt es denn?“

„Machen wir nachher noch weiter?“ Dabei deutete er unauffällig neben dem Tisch in Julianes Richtung.

Martin verstand und nickte kurz. „Machen wir.“

„Ihr zwei Geheimniskrämer. Dann ist's ja gut, dass ich nachher noch so viel zu tun hab. Da habt ihr wenigstens eure Ruhe.“

„Hmm, die brauchen wir auch, Juli“, erwiderte Nick im Brustton der Überzeugung.

Lachend strich Juliane sich eine Strähne hinters Ohr. „Ich denke, es dauert ein wenig bis ich wieder zurück bin. Muss erst in den Supermarkt und dann noch ein paar andere Kleinigkeiten erledigen.“

„Kein Problem, wir halten die Stellung. Stimmt's, Kurzer?“

„Na klar, Papa.“ Nicks Mund verzog sich zu einem Grinsen.

Der Vormittag verging wie im Flug und als Juliane von ihrer Einkaufstour zurückkam, fand sie einen Zettel an der Kinderzimmertür vor. „Betreten für Juli verboten“ las sie und lachte leise. Sie klopfte und rief: „Ich bin wieder zuhause!“

„Okay. Aber nicht reinkommen!“, drang Nicks Stimme aus seinem Zimmer.

Lachend erwiderte Juliane daraufhin: „Keine Sorge, ich hab noch genug zu tun. Macht ihr mal euer Ding, ich mach meins.“ Insgeheim fragte sie sich schon seit ein paar Tagen, was Martin und Nick wohl Tag für Tag im Kinderzimmer zu schaffen hatten. Andererseits war ja Weihnachten und daher rechnete sie im Stillen damit, dass Martin Nick bei irgendeiner Bastelarbeit oder ähnlichem half.

Juliane ging mit dem Schwangerschaftstest in der Hosentasche ins Badezimmer, schloss die Tür hinter sich ab und atmete erst einmal tief durch. „Okay, es hilft alles nichts. Zieh es jetzt durch und dann siehst du ja, was Sache ist“, machte sie sich selbst Mut und las den Beipackzettel genau durch. „Scheint ja so schwer nicht zu sein.“

Ein paar Minuten später hatte sie Gewissheit. Wenn der Test nicht defekt war oder sie irgendetwas falsch gemacht hatte, dann war sie schwanger. Sie unterdrückte ein Aufschluchzen, blinzelte gegen die aufsteigenden Tränen an. Ein Wunder war geschehen, sie konnte es gar nicht glauben. Vor ein paar Jahren hatten Ärzte ihr gesagt, dass sie keine Kinder bekommen konnte. Damals war eine Welt für sie zusammengebrochen. Erst die Bekanntschaft mit Martin und dem kleinen Nick hatte sie aus ihrer Lethargie gerissen. Sie war von Anfang an offen gegenüber Martin gewesen, hatte ihm davon erzählt und sein Verständnis, seine Liebe hatten sie aufgebaut und ihr neuen Lebensmut gegeben. Und jetzt das! Noch immer ungläubig schauten ihre Augen auf die zwei deutlich erkennbaren Striche auf dem Test in ihrer Hand.

Am liebsten wäre Juliane sofort zu Martin gelaufen und hätte ihm davon erzählt. Doch wollte sie Nick nicht enttäuschen, indem sie jetzt in sein Zimmer platzte. Sie überlegte einen Moment und dann kam ihr eine Idee. „Ja, so mach ich das.“ Aufmunternd lächelte sie ihrem Spiegelbild zu. Bildete sie es sich nur ein oder strahlten ihre Augen heller als sonst? Der blaugrüne Schimmer ihrer Augen schien vor Freude nur so zu funkeln. Hoffentlich würde Martin ihr nichts ansehen. Heute Abend, wenn Nick im Bett läge, würde sie ihn damit überraschen.

Beschwingt gab sie sich an die letzten Vorbereitungen für den Weihnachtsabend, sang bei allen Weihnachtsliedern, die das Radio zum Besten gab, leise mit und ließ sich gegen 15 Uhr mit einem kleinen Seufzer auf die Couch fallen. Von Martin und Nick hatte sie die ganze Zeit über kaum etwas gesehen. Nur einmal war Martin in die Küche gekommen, hatte eine Tasse Kaffee für sich und einen Kakao für Nick geholt und war sofort wieder im Kinderzimmer verschwunden.

Als hätte Martin geahnt, dass Juliane es sich auf der Couch bequem gemacht hatte, stand er plötzlich im Türrahmen. Aufgrund seiner Größe füllte er den Türrahmen beinahe komplett aus. „Na, Maus. Alles gut?“ Mit ein paar Schritten war er bei ihr und setzte sich neben sie auf die Couch.

„Ja, alles gut.“ Juliane lehnte sich leicht nach rechts und schmiegte sich an den Körper ihres Freundes. „Hat Nick den Schreck von heute Morgen verdaut? Ich hatte vergessen die Tür abzuschließen.“

„Keine Sorge. Er hat nichts mehr davon gesagt. Und wenn es dir ja auch wieder besser geht, dann ist alles in bester Ordnung.“ Martin legte seine linke Hand in Julianes Nacken und strich mit seinen Fingerspitzen zärtlich an ihrem Haaransatz entlang.

Wohlig brummelnd schmiegte Juliane sich noch etwas näher an Martin. „Ich bin so froh, dass ich euch habe.“

„Und wir sind froh, dich zu haben.“ Martin gab seiner Freundin einen sanften Kuss auf die Stirn und strich mit seiner rechten Hand über ihre Wange. „Deine Augen funkeln so glücklich.“

Unschuldig lächelnd drehte Juliane ihren Kopf in Martins Richtung. „Heute ist Weihnachten. Du weißt doch, dass ich Weihnachten liebe …“

„Weiß ich, ja. Solange du Weihnachten nicht mehr liebst als mich.“

„Nur einmal im Jahr“, zog Juliane Martin auf und grinste leicht.

Martin tat beleidigt, konnte aber nicht lange ernst bleiben und bald darauf erklang schallendes Gelächter im Wohnzimmer.

„Warum lacht ihr?“ Nick war unbemerkt von den beiden ins Wohnzimmer gekommen und kletterte nun so auf ihre Beine, dass er sowohl bei Martin als auch bei Juliane auf dem Schoß saß. „Ist rumknutschen so lustig?“

Liebevoll wuschelte Martin durch die Haare seines Sohnes. „Ach, Nick, wenn du wüsstest …“

„Martin!“ Beinahe vorwurfsvoll war der Blick, den Juliane ihm zuwarf. „Du darfst nicht immer alles glauben, was dein Papa sagt, Nick.“

„Warum?“ Nick sah mit großen Augen zu Juliane auf. „Meinst du, Papa lügt?“

„Nein, das meine ich nicht. Nur übertreibt dein Papa schon mal ein bisschen.“

„Ach, und du nicht?“ Martins Hand schloss sich mit leichtem Druck um ihren Nacken, seine Augen funkelten belustigt.

„Ich? Naja, vielleicht manchmal“, gab Juliane zu.

„Erwachsene sind komisch“, stellte Nick fest und zuckte leicht mit seinen Schultern.

Lachend legte Juliane ihren Kopf in den Nacken und auch Martin konnte ein Lachen nicht unterdrücken. Diese Momente, die sie unbeschwert und ohne große Gedankengänge gemeinsam verbrachten, genossen sie alle drei sehr.

„Wie lange dauert's noch bis Abend ist?“ Langsam war Nick seine Ungeduld anzumerken.

Martin warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Ein bisschen musst du dich noch gedulden.“

„Ich will mich aber nicht mehr gedulden. Ich warte doch schon so lange.“ Trotzig schob Nick seine Unterlippe ein Stück vor.

Juliane stupste ihn leicht mit einem Finger auf die Nase. „Weißt du, der Weihnachtsmann bringt erstmal die Geschenke dahin, wo ganz kleine Kinder sind. Und du bist ja jetzt schon größer.“

„Dann müsst ihr eben ein Baby machen“, forderte Nick.

Das plötzliche Zusammenzucken seiner Freundin führte bei Martin zu erneuter Besorgnis. Was war nur in letzter Zeit mit Juliane los? Die Übelkeit am Morgen, dann ihre teilweise recht anstrengenden Stimmungsschwankungen. Lag das wirklich nur am Weihnachtsstress? Oder verschwieg sie ihm etwas? Beruhigend strichen seine Finger wieder an ihrem Haaransatz entlang. Er spürte, wie sie sich wieder entspannte und fühlte sich gleich ruhiger.

Juliane schob Nicks Bein von ihrem runter und erhob sich von der Couch. „Ich bin mal in der Küche. Abendessen vorbereiten.“

„Warte!“ Martins Hand schloss sich um ihr Handgelenk und er hielt sie zurück. „Was willst du denn groß vorbereiten? Den Kartoffelsalat hast du vorhin schon gemacht und die Würstchen sind doch in Nullkommanichts fertig.“

Zerstreut fuhr Juliane sich durchs Haar und ließ sich zurück auf die Couch fallen. „Stimmt. Ich weiß auch nicht … Ach, egal.“

„Kann ich fernsehen?“ Nick hatte keine Lust, sich die Diskussion seines Vaters und dessen Freundin anzuhören und streckte seine Hand nach der Fernbedienung aus, die auf dem Couchtisch lag.

„Warum eigentlich nicht. Es läuft bestimmt irgendein Märchenfilm oder so.“

„Och nööö, ich will aber Super RTL gucken.“

„Nix da, entweder wir suchen was aus oder der Fernseher bleibt aus.“

„Menno.“ Seine Arme vor der Brust verschränkend, sah Nick zwischen Juliane und Martin hin und her.

„Es liegt ganz bei dir.“

„Na gut, dann eben Märchen oder so“, gab Nick klein bei.

„Geht doch.“ Mit einem leichten Lachen auf den Lippen nahm Martin seinem Sohn die Fernbedienung aus der Hand und begann durch das Programm zu zappen.

„Stooooopp! Das war Niko!“, rief Nick lautstark und hüpfte aufgeregt auf Martins Schoß auf und ab.

„Niko?“ Fragend sahen Martin und Juliane sich an.

„Ja, Niko. Ein Rentier. Bitte, bitte, bitte, lasst uns Niko gucken.“ So flehend wie seine Stimme blickten auch Nicks Augen zu den Erwachsenen.

Ein kaum merkliches, einvernehmliches Nicken der beiden und Martins gesagte Zustimmung ließen Nick in einen kurzen Jubel ausbrechen, bevor er seinen Daumen in den Mund schob und sich über die Beine der Erwachsenen aus. So saßen sie den ganzen Film über in trauter Dreisamkeit zusammen.

Nach dem Film zogen sie sich etwas festlicher an, aßen zu Abend und Martin beschäftigte sich anschließend im Kinderzimmer mit Nick. Währenddessen räumte Juliane das Geschirr weg und bereitete im Wohnzimmer alles für die Bescherung vor. Die Geschenke für Nick legte sie neben den Weihnachtsbaum, der mit seinem Lichterglanz neben einigen Kerzen die einzige Lichtquelle war.

Das Klingeln des Weihnachtsglöckchen ertönte und beinahe gleichzeitig wurde die Kinderzimmertür aufgerissen und Nick stürmte ins Wohnzimmer. Martin folgte ihm in gemäßigtem Tempo. In der Tür verharrte er einen Moment und ließ seinen Blick über die Szenerie im Wohnzimmer gleiten. Sein Sohn, der mit lauten Ahs und Ohs über die Geschenke herfiel und Juliane, die mit ihrem Strahlen dem Weihnachtsbaum Konkurrenz machte. Das Licht des Baumes verlieh ihrem Haar einen rötlich-goldenen Schimmer. 'Meine kleine Familie', dachte er glücklich und trat ins Wohnzimmer.

Juliane machte ein paar Schritte in Martins Richtung, ging ihm entgegen. Das Kleid, das sie zur Feier des Tages trug, umspielte ihre Figur vorzüglich, setzte ihre weiblichen Kurven in ein perfektes Licht.

„Mein Engel“, hauchte er leise als sie dicht voreinander standen und schloss sie in seine Arme. Sein Kinn lag auf ihrem Kopf auf und er drückte sie fest und gleichzeitig zärtlich an sich. „Frohe Weihnachten, Maus.“

Sie hob ihren Kopf an, schaute ihm tief in die Augen. „Frohe Weihnachten, Schatz.“

Ihre Lippen vereinten sich zu einem tiefen Kuss und für einen Moment vergaßen sie die Welt um sich herum. Atemlos lösten sie sich nach einer Weile voneinander, sahen sich aus funkelnden Augen an. Ein stummes Versprechen, dass dies noch nicht alles gewesen war für heute, lag in beiden Blicken.

Das Paar wandte sich Nick zu, der bereits anfing mit seinen Geschenken zu spielen und glücklich beobachteten sie ihn eine Weile dabei. Arm in Arm standen sie so da, bis Juliane sich vorsichtig aus Martins Griff befreite und nach dem Geschenk für ihn griff.

Mit einem Lächeln übergab sie die kleine Rolle an Martin und wartete gespannt auf seine Reaktion.

Er löste die Schleife, die um die Rolle gewickelt war und rollte das Papier auseinander. Blitzschnell erfassten seine Augen das Geschriebene. Dann umfasste er seine Freundin, hob sie hoch und wirbelte sie einmal im Kreis um sich herum. „Eine Woche Skiurlaub. Du bist doch verrückt“, sagte er lachend als sie wieder zum Stillstand kamen.

„Naja“, lächelte Juliane verlegen. „ich dachte, es täte uns allen mal gut was anderes zu sehen. Und, es ist nicht so weit. Wir müssen halt nur übermorgen fahren.“

„Du bist ein Schatz. Danke!“ Seine Lippen versiegelten ihre erneut mit einem zärtlichen Kuss. „Ich hab da auch etwas für dich.“ Er ließ Juliane mitten im Raum stehen, öffnete eine Schranktür der Anbauwand und holte ein quadratische Päckchen aus der hintersten Ecke hervor. Diese reichte er Juliane.

Mit Bedacht öffnete sie das Geschenkpapier, anschließend die darin befindliche Schachtel. Eine silberne Kette mit einem Herz, besetzt mit kleinen Glitzersteinchen, funkelte ihr entgegen. „Wow, ist die schön“, sagte Juliane leise und fuhr mit einem Finger über die Kette. „Danke, Schatz!“

„Darf ich?“, fragte Martin und nach einem kurzen Nicken Julianes nahm er die Kette, öffnete diese und legte sie Juliane um den Hals. Hauchzart ließ er seine Fingerspitze an der Kette entlang gleiten.

„Nick? Möchtest du nicht auch Juliane dein Geschenk geben?“ Martin wandte sich seinem Sohn zu.

„Das kleine oder das große?“

„Bring beide mit und dann schauen wir mal.“

„Okay.“ Nick sprang auf, ließ seine neuen Spielsachen unter dem Weihnachtsbaum liegen und rannte in sein Zimmer.

Juliane nutzte die Gelegenheit und bedankte sich bei Martin mit einem innigen Zungenkuss. Sie spürte seine Hände, die sich bei dem Kuss fordernd auf ihren Po legten, diesen leicht drückten und sie somit nah an ihn gezogen wurde. „Später“, hauchte sie verheißungsvoll. „Wenn Nick schläft …“

„Ja, mein Engel. Später …“ Auch Martins Stimme war kaum mehr als ein heiseres Hauchen.

Sie lösten sich wieder aus ihrer innigen Umarmung. Mit klopfendem Herzen sahen sie einander an, beide voller Vorfreude und auch voller innerlicher Unruhe, da sie beide noch eine Überraschung für den Partner hatten.

Wenig später platzte Nick aufgeregt wieder ins Wohnzimmer und rannte schnellen Schrittes auf Juliane zu. Fest umschlang er mit seinen Armen ihren Oberschenkel und drückte seine Wange an ihren Bauch. „Frohe Weihnachten, Juli“, sagte er leise und gab ihr ein Päckchen.

Gerührt wuschelte Juliane Nick durchs Haar. „Darf ich das auspacken?“

„Klar, was denn sonst?“ Nicks Augen funkelten erwartungsvoll während er Juliane beim Auspacken beobachtete.

„Oh, der ist aber schön. Danke, Kurzer!“ Juliane drückte den Jungen feste an sich.

„Papa war mit. Alleine kann ich das ja noch nicht. Aber ausgesucht hab ich den Pulli für dich.“

„Hast du super gemacht. Weißt du was, den zieh ich morgen gleich an, okay?“

„Ja, ja, ja.“ Freudig klatschte Nick in die Hände und sprang auf und ab.

Martin legte seine Hand auf die Schulter seines Sohnes um ihn zu beruhigen. „Bist du bereit?“

„Ja, Papa. Du denn auch?“

„Na ich hoffe doch. Sonst musst du mir helfen.“

„Mach ich.“

Fragend blickte Juliane zuerst Martin, dann Nick an. „Was führt ihr denn im Schilde?“

„Überraschung“, rief Nick und grinste von einem Ohr bis zum anderen.

Nach einem möglichst unauffälligen, tiefen Atemzug griff Martin nach Julianes Hand und sank im Licht des Weihnachtsbaumes vor ihr auf die Knie. „Mein lieber Schatz, seit etwas über drei Jahren sind wir beide nun ein Paar. Du hast von Anfang an Licht in mein Leben gebracht und warst für Nick immer wie eine Mama. Dieses Jahr haben wir uns einen Traum bereits erfüllt, indem wir uns dieses Haus gegönnt haben. Ich liebe dich über alles und möchte dich nie wieder verlieren. Willst du mich heiraten?“

„Ja!“ Schluchzend warf Juliane ihre Arme um Martins Hals. „Ja, ich möchte dich heiraten.“

Überglücklich vereinten sich ihre Lippen zu einem zärtlichen Kuss. Juliane half Martin zurück auf die Füße und Nick reichte Martin, auf dessen Zeichen, die kleine Schachtel mit dem Ring für Juliane.

Freudestrahlend nahm Juliane den Ring entgegen, während ihre Augen sich mit Tränen füllten, die sich langsam einen Weg über ihre Wangen suchten. Zärtlich wurden diese von Martin weg geküsst.

„Ist es so schrecklich?“

„Nein, so schön …“ Juliane strahlte über das ganze Gesicht. Schließlich fasste sie sich ein Herz und beschloss, Martin jetzt schon von ihrer Erkenntnis zu erzählen. „Ich muss dir, euch, auch noch was sagen.“

„Was denn, Schatz? Ist was passiert? Du schaust plötzlich so ernst.“

„Nein, ja, ach, ich weiß nicht.“ Nervös nestelte Juliane an einer Strähne, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte und wickelte diese um ihren Finger. „Vielleicht sollten wir …“ Sie deutete mit der anderen Hand in Richtung Couch.

„Uns setzten? Ist es so schlimm? Was ist denn los?“ Martin legte beruhigend seine Hände auf Julianes Schultern und strich mit den Daumen an ihrem Hals entlang.

Auch Nick wurde nervös. Unruhig zappelte er von einem Fuß auf den anderen. „Jetzt sag schon, Juli!“, forderte er schließlich leise aber bestimmt und zauberte Juliane damit ein kurzes, unsichers Lächeln auf die Lippen.

„Okay.“ Sie schloss kurz die Augen, atmete tief durch. „Ich … bin schwanger.“

„Was? Schwanger? Schatz …“ Martin zog Juliane in seine Arme, umarmte sie feste und drückte sie fest an seine Brust. „Das ist doch toll! Nach allem, was du damals durchgemacht hast. Ich freu mich so.“

Erleichtert schluchzte Juliane und vergrub ihr Gesicht an der Brust ihres Freundes.

„Was bedeutet schwanger? Bist du jetzt nicht mehr Juli?“ Nick zog aufgeregt an Julianes Kleid.

„Doch, Nick, ich bin immer noch Juli. Die werde ich auch immer bleiben. Es bedeutet, dass du ein Geschwisterchen kriegen wirst.“

Mit erstauntem Blick sah Nick von Juliane zu Martin. „Dann hat der Weihnachtsmann meinen Wunsch ja erfüllt. Wo ist denn das Baby?“

Lachend strich Martin über Nicks Haare. „Das dauert noch ein bisschen. Das Baby muss erstmal in Julianes Bauch wachsen.“

„Oh, schade … ich dachte, ich könnte gleich schon damit spielen.“

„Nein, Kurzer, so schnell geht das leider nicht. Aber irgendwann kannst du fühlen, wie das Baby anfängt in meinem Bauch zu strampeln und noch etwas später, wenn es dann auf der Welt ist, dann kannst du bestimmt auch mit ihm oder ihr spielen.“

„Aber … du stirbst dann nicht wenn du das Baby machst, oder?“ Angst lag im Blick des Jungen.

Martin beugte sich zu ihm runter und hob ihn auf den Arm. „Juliane wird nicht sterben. Das verspreche ich dir.“

„Gut.“ Nick legte einen Arm um den Hals seines Vaters und den anderen um Julianes. „Ich freu mich auf ein Geschwisterchen.“

„Nicht nur du, Nick.“

Der weitere Abend verlief in ruhigem Rahmen, mit Weihnachtsmusik, Plätzchen essen und ein paar Spielen. Martin und Juliane warfen sich immer wieder heimliche, vielversprechende Blicke zu. Gegen 22 Uhr brachten sie Nick, der seine Augen kaum noch aufhalten konnte, ins Bett. Bevor er ins Reich der Träume davon driftete, murmelte er noch ein leises „Danke, Weihnachtsmann“ und zauberte damit Juliane und Martin ein glückseliges Lächeln ins Gesicht.

Die Finger ineinander verhakt, gingen die beiden leise wieder ins Wohnzimmer. Doch lange hatten sie keine Ruhe. In stillem Übereinkommen löschten sie die Kerzen und schalteten die Lichterkette im Weihnachtsbaum aus. Kurzerhand nahm Martin seine frisch Verlobte auf die Arme und trug sie ins Schlafzimmer.

Dort angekommen ließ er sie langsam aufs Bett sinken und überdeckte ihr Gesicht mit Küssen, während seine Finger an ihrem Kleid nestelten. Zärtlich, aber zugleich auch fordernd und ein wenig forsch, begaben ihre Hände sich auf Wanderschaft, begannen ihre Körper zu entblättern und streichelten über die Haut des anderen.

„Ich bin so glücklich, mein Engel“, hauchte Martin Juliane leise ins Ohr.

„Ich auch, Schatz“, antwortete Juliane flüsternd.

Sich innig küssend verschmolzen ihre Körper miteinander und vereinten sich im Akt der Liebe, der sie beide gemeinsam auf Wolke Sieben brachte.

Anschließend lagen sie noch lange eng umschlungen nebeneinander im Bett und flüsterten sich gegenseitig Zärtlichkeiten ins Ohr, bis schlussendlich auch Martin und Juliane ins Land der Träume entschwanden.