Ein ganz besonderer Weihnachtswunsch

Der dritte Adventssamstag begann für Martin, Juliane und Nick mit einem gemeinsamen Frühstück im Wintergarten. Im offenen Kamin flackerte ein leise knisterndes Feuer, das das Wohnzimmer und den Wintergarten in wohlige Wärme hüllte.
Nick versuchte verzweifelt die Marmelade auf sein Brötchen zu bekommen. Immer wieder schimpfte der vierjährige wie ein Rohrspatz, da die Marmelade einfach nicht aus dem Glas raus wollte.
Juliane und Martin warfen sich verstohlene, belustigte Blicke zu.
„Kann man dir helfen, junger Mann?“ Martin schmunzelte leicht und griff mit seiner Hand nach dem Marmeladenglas.
Nick verdrehte die Augen. „Die Marmelade ist blöd, die will nicht gegessen werden.“
„Hmm, was machen wir denn da?“, überlegte Martin und zog seine rechte Augenbraue leicht hoch.
„Probier du mal.“ Nick schob seinem Vater das Frühstücksbrettchen mit seinem Brötchen entgegen. „Vielleicht hast du mehr Glück. Wenn das so weiter geht, kommen wir ja sonst nie auf den Weihnachtsmarkt.“ Er lehnte sich zurück und verschränkte die kleinen Arme vor der Brust. Dabei beobachtete Nick ganz genau, wie Martin die Marmelade aus dem Glas auf die Brötchenhälfte manövrierte, sie darauf verteilte und dann mit einem Zwinkern das Brettchen zurück schob. „Danke, Papa.“
„Bitte, Kurzer.“ Martin wuschelte kurz durch Nicks blonde Locken und widmete sich dann wieder seinem eigenen Brötchen.
Juliane, die die Szene mit einem Dauergrinsen auf dem Gesicht beobachtet hatte, versteckte ihr Gesicht hinter der Kaffeetasse. Nur mühsam konnte sie sich ein Lachen verkneifen. Möglichst unbeteiligt wirkend trank sie einen kleinen Schluck.
Die gemeinsame Zeit am Wochenende mochten sie alle drei gerne. Doch gerade jetzt vor Weihnachten war sie noch mehr wert als sonst. In dem ganzen Trubel, der sie immer öfter von gemeinsamen Stunden abhielt, wurden diese immer wichtiger. Zum Glück hatte Martin es mit seinem Chef so regeln können, dass er von der Samstagsarbeit größtenteils ausgenommen war und auch die zwei Wochen um Weihnachten und Neujahr würde er dieses Jahr frei haben.
„Juli?“ Martins Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Fragend blickte sie zu ihrem Freund. „Ja?“
„Wo bist du nur wieder mit deinen Gedanken, Maus?“, fragte Martin schmunzelnd und beugte sich vor um ihr eine Strähne hinters Ohr zu schieben.
Juliane zuckte leicht mit den Schultern und warf ihren beiden Männern einen liebevollen Blick zu. „Ich hab nur grade wieder mal gedacht, wie froh ich bin, dass ich euch habe.“
„Wir sind auch froh, dass wir dich haben. Stimmt's, Nick?“
„Klar, Papa! Juli ist die Beste …“, murmelte Nick und schob sich den letzten Bissen von seinem Brötchen in den Mund.
Martin wandte sich wieder Juliane zu. „Also, was ich wissen wollte: Wann hattest du vor zum Weihnachtsmarkt zu gehen? Schon mittags oder erst gegen Abend?“
„Lass uns gegen Abend gehen. Ist doch viel schöner, wenn die ganzen Lichter an sind. Außerdem können wir dann auf dem Weihnachtsmarkt zu Abend essen“, schlug Juliane vor.
Ein bestätigendes Nicken von Martin war die Antwort. „Alles klar. In Anbetracht des gerade wieder aufkommenden Schneefalls“ Er deutete nach draußen. „vielleicht sogar die beste Entscheidung.“
Juliane folgte seiner Geste mit ihrem Blick. „Hört das denn irgendwann auch mal wieder auf zu schneien?“ Sie seufzte leise. „Wo sollen wir den ganzen Schnee denn noch hinschieben?“
Martin lachte kurz auf. „Da ist noch jede Menge Platz auf der Wiese.“
„Du bist mir n Spaßvogel …“ Sie schüttelte belustigt ihren Kopf.
„Darf ich in mein Zimmer was spielen?“ Ungeduldig zappelte Nick auf seinem Stuhl.
„Ja, geh ruhig“, nickte Martin.
Das ließ sich Nick nicht zweimal sagen. Er sprang vom Stuhl auf und rannte mit Vollgas in sein Zimmer. Das knallende Geräusch der Zimmertür verriet, dass er – mal wieder – vergessen hatte, welchen Sinn eine Türklinke hat.
Nachdem sie ihren Kaffee ausgetrunken und den Tisch abgeräumt hatten, ging Martin nach draußen um die, für heute, erste Ladung Schnee zur Seite zu schaffen.
Juliane ging zurück in den Wintergarten und setzte sich mit einem der gemütlichen Korbstühle an die große Fensterfront. Während sie das Treiben der Schneeflocken draußen beobachtete, fiel ihr ein Winter ein, der ähnlich viel Schnee gebracht hatte ...
Was war das damals ein Chaos gewesen! Tagelang waren sie in ihrem Heimatort förmlich von der Außenwelt abgeschnitten gewesen, kein Auto kam mehr rein oder raus und Lebensmittel wurden mit Hubschraubern eingeflogen. Doch die Gemeinschaft, die in dieser Zeit entstanden war, konnte danach nicht so schnell wieder zerrüttet werden.
Die Leute im Ort waren zusammengerückt, hatten sich gegenseitig geholfen und sie hatten abends gemeinsam mit vielen Nachbarn am Lagerfeuer gestanden und Stockbrot gemacht. Für sie als Kind war es alles nicht so schlimm gewesen, die Schule war in der Zeit ausgefallen und sie hatte fast den ganzen Tag draußen mit ihren Freunden im Schnee herumgetollt.
Doch es hatte auch viel Leid gegeben in diesen Tagen. Juliane hatte erst viel später erfahren, was wirklich geschehen war. Eine Gruppe Männer hatte versucht einen Weg zu finden, die Zufahrtsstraße zum Ort freizuräumen als sich von einem der umliegenden Berge eine kleine Lawine gelöst hatte. Über die Hälfte dieser Männer war nicht mehr nach Hause zurückgekehrt, weil keine Hilfe rechtzeitig angekommen war. Der Vater ihrer besten Freundin war einer von ihnen gewesen und ihr eigener Vater hatte es nur so eben geschafft. Seit diesem Tag hatte Juliane bei lange anhaltenden Schneefällen immer ein mulmiges Gefühl. Und dennoch liebte sie den Winter.
Martin, der mittlerweile wieder drinnen war, betrachtete seine Freundin vom Wohnzimmer aus. Er sah sie nur von hinten, konnte das Spiegelbild ihres Gesichts nur im Fenster sehen. Warum wirkte sie auf einmal so traurig? Vorhin beim Frühstück war sie doch noch fröhlich gewesen ... Ob etwas passiert war? Sollte er zu ihr gehen oder sie lieber in Ruhe lassen? Manchmal wusste er nicht genau, wie er sich Juliane gegenüber verhalten sollte. Er liebte sie über alles, würde alles für sie tun. Aber ab und zu zog sie sich emotional so sehr von ihm zurück, dass ihm Angst und Bange wurde. Er wusste, dass ihr der Streit mit ihrer Schwester Jessica vor ein paar Jahren schwer zugesetzt hatte. Dachte sie gerade daran?
Ein leises Schluchzen drang aus dem Wintergarten an sein Ohr. Innerhalb von Sekundenbruchteilen war er bei Juliane. Er drehte den Stuhl und hockte sich vor ihr auf den Boden, die Hände auf ihre Knie gelegt.
„Schatz, was ist los?“ Seine Stimme war leise, beruhigend. „Ist irgendwas passiert als ich draußen war? Tut dir was weh?“
Juliane schüttelte leicht den Kopf. „Es ist nichts … nur … der Winter … ich hab Angst ...“, sagte sie stammelnd und legte ihren Kopf auf Martins Schulter.
„Angst? Vor dem Winter?“ Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Juliane hatte ihm gegenüber immer erzählt wie sehr sie den Winter liebte. Warum hatte sie plötzlich Angst davor?
„Ja! Angst vor dem Winter!“, platzte es aus Juliane heraus. Und dann erzählte sie ihm von dem Winter, der ihr Leben damals so verändert hatte. Von den Vorwürfen, die ihre Freundin zwar nie geäußert hatte, die aber unterschwellig immer wieder zum Vorschein kamen, weil deren Vater nicht überlebt hatte. Sie redete wie ein Wasserfall.
Martins Hand strich beruhigend über ihr Knie, die andere Hand lag in ihrem Rücken und fuhr langsam auf und ab. Als er Tränen auf ihrem Gesicht sah, küsste er diese sanft weg. Nachdem Juliane ihm alles erzählt hatte, hielt er sie einfach noch eine Weile fest im Arm und murmelte beruhigende Worte in ihr Haar.
Irgendwann löste Juliane sich mit einem beinahe schüchternen Lächeln aus seiner Umarmung. „Danke, dass du immer für mich da bist“, flüsterte sie.
Im ersten Moment wusste Martin nicht, was er darauf erwidern sollte. Doch dann antwortete er: „Das ist doch selbstverständlich. Egal was ist, egal was dich bedrückt, du kannst damit immer zu mir kommen. Mach nicht immer alles mit dir alleine aus. Ich will dich nicht verlieren …“
„Ich dich auch nicht.“ Sie umarmte ihn noch mal fest und drückte einen zarten Kuss auf seine Lippen. „Und jetzt genug davon. Lass uns irgendwas spielen, okay?“
Martin ließ seine Hände über ihren Rücken tiefer gleiten bis diese auf Julianes Po zum Liegen kamen. „Ich wüsste auch schon was …“, murmelte er leise.
„Nicht jetzt. Nick könnte jeden Moment ins Wohnzimmer kommen“, wehrte Juliane mit leicht mahnendem Ton ab.
„Hmm, du hast Recht.“ Nur ungern ließ Martin sie los. Er wusste jedoch, dass sie Recht hatte. „Was hältst du von UNO?“, versuchte er das Thema zu wechseln.
„UNO klingt gut. Ich frag Nick mal ob er mitspielen möchte.“
Wenige Minuten später saßen sie erneut im Wintergarten um den Esstisch und spielten Karten. Am frühen Nachmittag machte Juliane eine große Kanne Kakao und sie aßen von den selbstgebackenen Plätzchen.
Gegen 16 Uhr wurde es langsam dunkler und sie beschlossen, zum Weihnachtsmarkt aufzubrechen. Schnell hatten sie die bequemen Klamotten gegen Wintersachen getauscht und sich mit Schal, Handschuhen und Mützen warm eingepackt. Wenige Minuten später stapften die drei, mit Nick in ihrer Mitte, Hand in Hand durch den tiefen Schnee. Ursprünglich wollten sie das Auto nehmen. Da es aber noch immer nicht aufgehört hatte in dicken Flocken zu schneien, ließen sie den Wagen in der Garage und liefen die anderthalb Kilometer in die Ortsmitte zu Fuß.
Bereits von Weitem konnten sie den Lichterglanz des Weihnachtsmarkts sehen. Sie blieben einen Moment stehen und ließen die Atmosphäre, die nahezu greifbar war, auf sich wirken.
Nick konnte diesem stummen Dastehen jedoch nicht wirklich was abgewinnen. „Kommt jetzt endlich!“, forderte er die Erwachsenen auf und zog an ihren Händen.
Lachend ließen Martin und Juliane sich von Nicks Euphorie anstecken. Mit immer schnelleren Schritten stapften sie weiter. Ihr Atem bildete kleine Dampfwolken vor ihren Gesichtern. Es war klirrend kalt, die Äste der Bäume am Wegesrand knarrten unter der Last des Schnees, die von Minute zu Minute schwerer wurde.
Bereits nach den ersten Metern zwischen den gut besuchten Ständen wurden sie von dem geheimnisvollen Bann des Marktes umfangen. Die Stände, allesamt kleine Holzbuden, schlängelten sich die Hauptstraße entlang durch den Ort. Das Zentrum wurde von einem riesengroßen Tannenbaum, geschmückt mit Unmengen an Glühbirnen und großen, roten Schleifen auf dem Marktplatz gebildet. Rund um den Tannenbaum standen weitere Holzbuden in zwei Kreisen, die einen mit der Rückwand zum Baum, die anderen mit der Frontseite. Zwischen diesen beiden Kreisen war eine Gasse, die vor lauter Menschen jedoch kaum zu erkennen war. Der äußere der beiden Kreise wurde nur von der Rathaustreppe unterbrochen auf der eine lebende Krippe aufgebaut war.
Gemütlich schlenderten Martin, Juliane und Nick von einem Stand zum nächsten und betrachteten die schönen Auslagen. Zwischendurch blieben sie stehen um mit dem ein oder anderen Bekannten einen kleinen Plausch zu halten.
„Papa, Papa, guck mal. Der Weihnachtsmann!“ Aufgeregt zog Nick am Ärmel von Martins Jacke und deutete mit der anderen Hand ins Getümmel.
Martin blickte sich kurz suchend um. „Tatsächlich, das ist eindeutig der Weihnachtsmann. Willst du mal zu ihm hin?“
Der kleine Junge schaute mit großen, strahlenden Augen zu seinem Vater hoch. „Ja“, flüsterte er beinahe ehrfürchtig.
„Na dann komm.“ Martin nahm Nicks Hand zurück in seine und wandte sich an seine Freundin. „Juli, kommst du auch mit?“
„Natürlich komm ich mit. Ich wollte den Weihnachtsmann schon immer mal kennenlernen.“ Sie zwinkerte Martin zu und legte ihre Hand auf Nicks Schulter.
Gemeinsam gingen sie auf den Weihnachtsmann zu. Nick reihte sich aufgeregt in die lange Schlange Kinder ein, die darauf warteten für einen Moment auf dem Schoß des Weihnachtsmann zu sitzen. Ungeduldig trat er von einem Fuß auf den anderen und wurde von Minute zu Minute nervöser. Kurz bevor er an der Reihe war, drehte er sich zu Martin und Juliane um. Er winkte ihnen zu und rief nach Juliane.
Sie wunderte sich zwar, ließ aber Martins Hand los und schloss die kleine Lücke zwischen sich und Nick. Sie beugte sich ein Stück vor. „Was ist denn, Kleiner? Hast du Angst?“, flüsterte sie ihm ins Ohr.
„Nein, ich hab keine Angst. Aber … könntest du ein Foto machen wenn ich beim Weihnachtsmann auf dem Schoß sitze? Die anderen Eltern machen das aus.“ Nick lächelte mit leicht schief gelegtem Kopf.
Juliane schmunzelte. „Klar kann ich das machen. Wenn der Weihnachtsmann nichts dagegen hat.“
„Ich frag ihn. Und wenn er ja sagt, dann zwinker ich dir zu. Okay?“
„Okay. Genau so machen wir das.“ Die junge Frau strich dem Jungen kurz über seine Wange und trat dann zurück neben ihren Freund.
Martin legte seinen Arm um Julianes Taille und zog sie eng neben sich. Ihren Kopf auf seine Schulter gelegt standen sie stumm nebeneinander und betrachteten die Szenerie vor ihnen glücklich.
Kaum war Nick auf den Schoß des Weihnachtsmanns gehoben wurden, beugte er sich schon zu dessen Ohr und flüsterte ihm etwas hinein. Als dieser daraufhin nickte, drehte Nick seinen Kopf zu Juliane und Martin und zwinkerte wild mit seinen Augen.
Nur mühsam konnten die beiden sich ein Lachen verkneifen. Es sah einfach zu süß aus wie Nick seine Augen feste schloss und wieder öffnete. Schnell öffnete Juliane das Kameraprogramm auf ihrem Handy und schoss ein paar Fotos.
Nick wechselte noch ein paar Worte mit dem Weihnachtsmann, erzählte ihm von seinen Wünschen für Weihnachten. Bevor er jedoch wieder vom Schoß runter kletterte, beugte er sich erneut vor um dem Weihnachtsmann noch etwas ins Ohr zu flüstern.
Die gesagten Worte brachten den Weihnachtsmann dazu, leise zu lachen. Er hatte ja schon vieles erlebt und gehört, aber der letzte, leise geflüsterte Wunsch des kleinen Jungen auf seinem Schoß war doch eher etwas ungewöhnlich. Nachdenklich blickte er zu Martin und Juliane herüber, dann nickte er kurz. Mit einer einladenden Geste bedeutete er den beiden ebenfalls zu ihm zu kommen.
Sichtlich erstaunt folgten Martin und Juliane der Einladung und traten aus dem Kreis der Erwachsenen heraus. Was passierte hier gerade?
„Nun“, sprach der Weihnachtsmann mit leiser, tiefer Stimme, dass nur sie, die direkt vor ihm standen, ihn verstehen konnten. „Nick hat soeben einen Wunsch geäußert, der auf den ersten Blick doch etwas ungewöhnlich scheint. Normalerweise würde ich als Weihnachtsmann ja diesen Wunsch für mich behalten, aber um ihm diesen zu erfüllen, brauche ich Hilfe – eure Hilfe.“ Dabei schaute er abwechselnd Juliane und Martin in die Augen.
Martin schaute fragend zu Nick, der unschuldig lächelnd weiter auf dem Schoß des Weihnachtsmannes saß und das Geschehen mit einem glücklichen Strahlen in den Augen beobachtete. 'Was hat Nick wohl erzählt?', überlegte Martin und wartete gespannt darauf, dass der Weihnachtsmann weiter erzählen würde. Er spürte wie Juliane seine Hand nahm und feste drückte. Ein kurzer Seitenblick verriet dem jungen Mann, dass seine Freundin mindestens so nervös war wie er, wenn nicht sogar noch mehr. Sanft erwiderte er den Händedruck, dann wanderte ihrer beider Aufmerksamkeit zurück zu dem rot gewandeten, Rauschebart tragenden Mann vor ihnen.
„Was hat er sich denn gewünscht?“ Julianes Stimme klang leicht brüchig als sie die ungesagte Frage aussprach.
Lächelnd antwortete der Weihnachtsmann: „Er wünscht sich, dass ihr alle zusammen immer glücklich seid, dass er euch nie verliert … und …“ Es folgte eine kurze Pause bevor er fortfuhr: „Und ein Geschwisterchen.“
Die Überraschung stand Martin und Juliane ins Gesicht geschrieben. Juliane war so gerührt, dass sie nur mit Mühe die aufsteigenden Träne zurückhalten konnte.
Der Weihnachtsmann lächelte ihnen noch einmal zu als er Nick von seinem Schoß herunter hob. „Alles Gute für euch. Und schöne Weihnachten!“, wünschte er zum Abschied.
„Danke, Weihnachtsmann!“, antworteten sie unisono und brachen in leises Lachen aus.
Glücklich stapften sie weiter Hand in Hand über den Weihnachtsmarkt, aßen an einem der Stände Bratwurst mit Pommes und tranken zum Aufwärmen einen Glühwein oder Kakao.
Auf der kleinen Bühne am Ende der Hauptstraße sorgte eine Drei-Mann-Gruppe für weihnachtliche Musik. Leise mitsummend stand Juliane an Martin gelehnt neben ihm, während Nick auf dem kleinen Kinderkarussell munter im Kreise fuhr.
Nachdem sie alle trotz dicker Sachen und warmen Getränken recht durchgefroren waren und alle Stände auf dem Weihnachtsmarkt begutachtet hatten, machten sie sich gegen 20 Uhr wieder auf den Heimweg.
Zuhause angekommen fiel Nick erschöpft ins Bett. Vor dem Einschlafen murmelte er noch leise: „Meint ihr, der Weihnachtsmann erfüllt meine Wünsche?“
Die Antwort seines Vaters, dass dieser bestimmt alles tun würde um auch Nicks Wünsche zu erfüllen, bekam der kleine Junge schon nicht mehr mit.
Juliane und Martin machten es sich noch mit einem Glühwein vor dem Kamin gemütlich. Zunächst saßen sie einfach nur schweigend in den Korbsesseln, tranken schlückchenweise und warteten darauf, dass die Wärme des Feuers sich auch bei ihnen einnistete.
„Was hältst du denn von Nicks speziellen Wünschen?“ Schüchtern strich Juliane sich eine Strähne hinters Ohr. „Ich find's ja irgendwie süß was er sich gewünscht hat.“
„Ja, süß schon … Aber schaffen wir das? Immerhin ist das alles nicht so einfach“, murmelte Martin leise.
Juliane nickte seufzend. „Leider … aber wir müssen das ja auch nicht jetzt entscheiden. Lass es uns einfach mal in Ruhe überdenken.“ Sie zögerte einen Moment bevor sie weiter sprach. „Meinst du Nick vermisst seine Mama?“
„Juli, ich weiß es nicht, wirklich. Er hat sie ja nie kennengelernt. Mich würde ehrlich gesagt nicht wundern, wenn er irgendwann zu dir 'Mama' sagt …“ Er beugte sich zu Juliane rüber und legte seine Lippen sanft auf seine. „Und bei einer Sache bin ich mir sicher: du bist eine gute Mama. Du liebst Nick als wäre er dein eigener Sohn und das rechne ich dir unheimlich hoch an.“
So saßen die beiden noch eine Weile nah beieinander vor dem Kamin. Als das Feuer runter gebrannt war, gingen sie ins Bett und liebten sich zärtlich.
Während Juliane danach recht schnell ins Reich der Träume davon driftete, lag Martin noch eine Weile wach. Er drehte sich zu Juliane und betrachtete sie glücklich. Ja, er hatte wirklich Glück gehabt, dass er ausgerechnet ihr über den Weg gelaufen war. Sie liebte ihn und sie liebte Nick, etwas besseres konnte ihnen gar nicht passieren. Und Nick und er liebten sie.
Für Heiligabend hatte er mit Nick zusammen eine besondere Überraschung geplant, hoffentlich hielt der Kurze so lange noch dicht. Martin sah vor seinem inneren Auge schon das leichte Glitzern einer Freudenträne in Julianes Augen wenn er ihr – mit der Hilfe von Nick - einen Heiratsantrag machen würde.
'Hoffentlich', so dachte er kurz vor dem Einschlafen. 'Hoffentlich sagt sie ja …'