2 - Ein Albtraum wird wahr

Als am nächsten Morgen der Weckgong ertönt, schreckt Jenny aus dem Schlaf auf. Sally und Nina erwachen zur gleichen Zeit. Müde räkeln sie sich noch eine Weile.

Nina: Morgen, Jenny. Gut geschlafen?

Jenny: Geht so. Naja, halt nicht sooo besonders gut.

Sally: Es wird schon werden. Du darfst den Kopf jetzt nicht hängen lassen. Aber jetzt raus aus den Federn, in einer halben Stunde gibt’s Frühstück.

Nina: Stimmt. (gähnt) Warum kann der Unterricht nicht einfach später anfangen?

Sally: Vielleicht, weil wir dann überhaupt nichts mehr vom Tag hätten und nach dem Abendessen mehr oder weniger direkt ins Bett könnten?

Jenny: Bloß nicht! Ein bisschen Freizeit gehört ja wohl dazu. (lacht) Aber gegen ne Stunde länger schlafen hätte ich auch nichts einzuwenden.

Sally steigt aus ihrem Bett und zieht zuerst Jenny und danach Nina die Bettdecken weg.

Sally: Los jetzt! Sonst gibt's gleich kein Frühstück mehr für uns, weil die Jungs schon alles aufgefuttert haben.

Nina: (seufzt) Ist ja schon gut.

Lachend machen sie sich fertig - allerdings nicht, ohne dabei noch etwas weiter zu ulken.

 

***

Pünktlich zum Frühstücksbeginn betreten sie die Mensa, wo sie von den Jungs schon erwartet werden.

Marco: Morgen, ihr drei. Ausgeschlafen?

Sally: Es geht. Und selbst?

Martin: Auch. Achso, Jenny, wenn du willst, kannst du dich nachher in der Klasse neben mich setzen. Ansonsten wäre aber auch noch ein Platz neben Klaudia frei.

Jenny: Okay. Dann setz ich mich neben dich.

Nina: (lacht leise) Na dann viel Spaß. Und pass auf, dass er dir nicht sofort irgendeinen Streich spielt.

Jenny: Danke für die Warnung. So, jetzt hab ich aber echt Hunger. Das sieht ja alles voll lecker aus.

Nico: Ist's auch meistens. Zumindest beim Frühstück und Abendessen kannst du eigentlich immer reinhauen. Nur mittags kommt's immer drauf an, was es gibt - ist halt teilweise einfach Geschmackssache.

Jenny: Ist das jetzt ein dezenter Hinweis, dass es heute Mittag was nicht so Leckeres gibt?

Nina: Das erfahren wir leider erst wenn's soweit ist.

Jenny: Okay. Na dann mal, guten Appetit.

Sally: Danke, dir auch!

Hungrig fallen sie über das leckere Frühstück her.

 

***

Die halbe Stunde Zeit zwischen Frühstück und Unterrichtsbeginn nutzen Jenny, Nina und Sally um in ihrem Zimmer ihre Sachen zusammenzusuchen.

Jenny: Was haben wir heute überhaupt für Fächer?

Nina: Geschichte, Religion, Kunst, Mathe und dann noch zwei Stunden Sport.

Jenny: Ah, okay. Danke.

Nina: Ist doch logo, dass ich dir das sage. Sonst kriegst du hinterher gleich am ersten Tag Ärger, weil du was Falsches eingepackt hast. Und das wollen wir ja alle nicht.

Sally: Genau. Wobei, Jenny kann ja heute noch nichts Verkehrtes einpacken. Oder hast du deine Bücher schon?

Jenny: Nee, noch nicht. Wo bekomm ich die eigentlich? Ich wollte mich da ja schon gestern drum kümmern, aber ihr wisst ja, was dann dazwischen kam.

Sally: Ja, wissen wir. Ich denke, die bringen die Lehrer gleich mit. Ansonsten kannst du bestimmt erstmal bei Martin mit ins Buch gucken. Dann schauen wir nach dem Unterricht, dass du die passenden Bücher bekommst.

Jenny: Alles klar. Danke.

Sally: (wirft einen Blick auf die Uhr) Oha, wir haben schon gleich acht. Lasst uns lieber mal in die Klasse gehen.

 

***

Zeitgleich mit ihnen trifft auch ihr Klassenlehrer ein.

Herr Stein: Guten Morgen. Setzt euch bitte auf eure Plätze. Muss man euch das wirklich jeden Morgen sagen? So langsam müsstet ihr doch mal wissen, wie man sich benimmt. (er wendet sich an Jenny) Hier, dein Geschichtsbuch.

Jenny: Danke.

 

***

Die sechs Unterrichtsstunden verfliegen im Nu, sodass es schon bald Zeit fürs Mittagessen ist. So schnell sie können, eilen alle aus ihren Klassen in die Mensa.

Jenny: Oh nein, ausgerechnet Erbsensuppe!

Nico: Das ist dann so ein Tag, wo es eher Geschmackssache ist. Gerne ess ich die auch nicht, aber es geht.

Jenny: Ich hab noch nie Erbsensuppe gemocht. Aber zumindest ist ein Brühwürstchen dabei.

Sally: Und ein Brötchen gibt's auch für jeden dazu.

Martin: Vergiss den anschließenden Nachtisch nicht.

Sally: (lacht) Wie könnte ich?

Jenny: Dann geht's ja.

Nina: Ja, genau.

Nur mit Mühe bekommt Jenny einen halben Teller Suppe herunter. Zum Nachtisch gibt es Schokoladenpudding und so muss am Ende doch niemand mit halbleerem Magen vom Tisch aufstehen.

Jenny: Wie geht das jetzt eigentlich weiter? Haben wir bis zur AG Freizeit?

Nina: Nein, leider nicht. Wir müssen wieder in die Klassen. Da machen wir dann unsere Hausaufgaben und es ist auch immer einer der Lehrer dabei, den wir bei Problemen oder so fragen können.

Jenny: Aha. Dann sind wir also sogar bei den Hausaufgaben unter Kontrolle?

Sally: So schlimm ist’s nicht. Ist eigentlich immer ganz lustig. Und wer fertig ist, darf auch schon vor dem Ende gehen. Das ist zwar nur eher selten der Fall, aber ab und zu klappt's dann doch mal.

Jenny: Okay, und das geht dann bis drei?

Martin: Nein. Um viertel vor drei ist Ende, damit wir noch Zeit haben, uns für die AGs vorzubereiten.

Jenny: Oje, das hört sich aber stressig an.

Nico: Ach, da gewöhnst du dich schon irgendwann dran. Aber jetzt müssen wir los, die anderen sind bereits alle vom Flur in die Klassen verschwunden.

Marco: Du hast Recht. Beeilen wir uns.

Zügig machen sie sich auf den Weg in die Klasse. Nach einer halben Stunde sind die meisten mit ihren Hausaufgaben fertig und nach und nach leert sich das Klassenzimmer.

 

***

Während Nina und Sally sich direkt auf den Weg in ihre AGs machen, geht Jenny noch auf ihr Zimmer, wo sie sich ihr Sportzeug anzieht. Sie will gerade, den Badmintonschläger unter den Arm geklemmt, das Zimmer verlassen, als es klopft. Jenny öffnet die Tür und schaut direkt in ein Paar strahlendblauer Augen.

Sebastian: (lächelt) Hi, ich bin's.

Jenny: Hi, Sebastian. Jetzt hatte ich doch fast vergessen, dass du mich zur AG abholen wolltest.

Sebastian: Na sowas aber auch. Dann ist ja gut, dass ich mich nicht verspätet habe.

Jenny: Das wäre ja mal echt peinlich geworden für mich. (lacht) Achso, bevor ich's vergesse: danke noch mal für deine Unterstützung heute Nacht. Ich bin echt froh, dass du unser Aufeinandertreffen für dich behalten hast.

Sebastian: Das war doch wohl selbstverständlich. (zwinkert Jenny zu) Also, können wir gehen?

Jenny: Von mir aus kann's losgehen.

Die beiden machen sich auf den Weg zur Sporthalle.

Sebastian: Es bleibt doch dabei, dass wir gleich im Anschluss noch nach München fahren, oder?

Jenny: Von mir aus gerne. Ich bin froh, wenn ich München mal zu Gesicht bekomme.

Sebastian: Ich freu mich auch, hier mal ein bisschen raus zu kommen. Weg von dem Trubel.

Jenny: Ist es so schlimm, wenn man länger hier ist?

Sebastian: Das nicht gerade. Aber trotzdem fällt einem so dann und wann mal die Decke auf den Kopf.

Jenny: Hmm, okay. Hier kannste dich natürlich nicht einfach mal zurückziehen, wenn du deine Ruhe haben willst.

Sebastian: Genau. Wobei ich es mit deinem Bruder als Zimmergenossen ganz gut getroffen habe. Wenn einer von uns mal seine Ruhe braucht, zieht der andere sich zurück.

Jenny: (erstaunt) Seid ihr nur zu zweit im Zimmer? Hat Lars ja gar nichts von erzählt.

Sebastian: Eigentlich haben wir auch ein Dreierzimmer. Aber unser ehemaliger Zimmergenosse hat zum Schuljahresende das Internat verlassen. Könnte aber sein, dass Mirco demnächst zu uns rüber zieht.

Jenny: Mirco?

Sebastian: Ja. Achso, den kennst du ja noch nicht. Aber du wirst ihn bestimmt bald kennenlernen.

Jenny: Hängt er oft mit euch ab?

Sebastian: Ja, genau. Er ist eigentlich mehr bei Lars und mir als in seinem eigenen Zimmer.

Sie treffen an der Sporthalle ein. Dort beginnt die AG mit einem lockeren Aufwärmprogramm, bevor sie sich in Zweierteams zusammenfinden sollen. Ohne lange zu überlegen, bilden Jenny und Sebastian ein Matchpaar. Die beiden schmettern sich die Badmintonbälle nur so um die Ohren und haben jede Menge Spaß.

Nach einer Stunde ist die AG zu Ende und sie gehen zurück in Richtung des Hauptgebäudes.

Sebastian: Ich sag gleich eben Bescheid. Okay?

Jenny: Okay. Aber ich spring noch kurz unter die Dusche.

Sebastian: Kein Problem, ich auch. Sagen wir, wir treffen uns in einer halben Stunde am Tor?

Jenny: Ja, alles klar. Das passt super.

Sebastian: Okay, bis gleich. Ich freu mich.

Jenny: Ich mich auch. Bis später.

 

***

Jenny geht in ihr Zimmer. Sally und Nina sind ebenfalls da und begrüßen Jenny freudig.

Nina: Hey, Jenny. Und? Wie war’s?

Jenny: Hi, war ganz gut. Bin nur gleich wieder weg.

Sally: Was hast du denn vor?

Jenny: Ich spring jetzt eben unter die Dusche und dann wollte ich gleich noch nach München. Wenn irgendwas sein sollte, ich nehm mein Handy mit.

Sally: Dann geb uns aber noch deine Nummer. Sonst können wir dich ja nicht erreichen.

Jenny: Oh, stimmt. Ich schreib sie euch auf.

Sie schreibt ihre Handynummer auf einen Zettel und reicht diesen Sally.

Sally: Danke.

Jenny: Kein Thema.

Nina: Mit wem gehst du denn nach München? Wir müssen immer mindestens zu zweit sein wenn wir das Schulgelände verlassen. Wusstest du das?

Jenny: Nein, wusste ich nicht. Aber ich hatte auch nicht vor, alleine zu gehen. (zögert kurz) Lars kommt mit.

Sally: Achso, dann ist gut.

Jenny: Ich bin dann mal eben im Bad.

Nina: Okay. Bis gleich.

Jenny verschwindet im Bad.

Nina: Meinst du, sie hat schon irgendwas Neues wegen ihrer Mutter gehört?

Sally: Keine Ahnung. Aber ich denke, dann hätte sie uns bestimmt was davon gesagt.

Nina: Wahrscheinlich hast du Recht.

Sally: Sonst fragen wir sie gleich mal.

Nina: Nee, ich weiß nicht. Nicht, dass sie hinterher noch denkt, wir wollten uns aufdrängen.

Sally: Auch wieder wahr.

Kurz darauf kommt Jenny zurück ins Zimmer.

Jenny: So, ich bin dann weg. Was habt ihr denn vor?

Nina: Nichts Spezielles. Aber dir viel Spaß in München.

Jenny: Danke. Und wie gesagt, wenn was sein sollte ...

Sally: (lacht) Du hast dein Handy dabei.

Jenny: Genau. Bis später dann.

Nina: Bis später.

Sally: Wir sehen uns.

 

***

Ein paar Minuten später kommt sie am Tor an, wo Sebastian schon auf sie wartet.

Sebastian: Da bist du ja. (lächelt) Mit der Erlaubnis ist alles klar. Wir sollen nur zum Abendessen zurück sein.

Jenny: Oh, dann haben wir ja nicht allzu viel Zeit.

Sebastian: Für ein bisschen in Ruhe reden reicht's aber.

Jenny: Auch wieder wahr. Achso, Nina und Sally hab ich gesagt, ich würde mit Lars nach München gehen.

Sebastian: Warum denn das?

Jenny: Weiß auch nicht genau. Müssen ja nicht alle wissen, dass wir zusammen in München sind, oder?

Sebastian: Mir wär’s eigentlich egal. Aber was soll's. Komm, der Bus müsste jeden Moment kommen.

Jenny: Welch ein Glück. (lacht)

Sebastian: Ja, das passt immer ganz gut mit dem Busfahrplan. Zumindest, wenn man nach den AGs nicht noch großartig rumtrödelt.

Jenny: Na dann auf. Nicht, dass wir sonst doch noch zu Fuß gehen müssen.

Sie gehen das Stück bis zur Bushaltestelle. Kurz darauf kommt der Bus und sie sind bereits nach dreißig Minuten an der Haltestelle, wo sie wieder aussteigen wollen.

Zielstrebig schlägt Sebastian den Weg in eine kleine Seitenstraße ein. Als sie vor einem Café stehen bleiben, wirft Jenny Sebastian einen fragenden Blick zu.

Sebastian: Kleiner Geheimtip: Hier geh ich immer hin, wenn ich alleine sein will.

Jenny: Sieht aber echt gemütlich aus.

Sebastian: Drinnen ist's noch gemütlicher. (hält Jenny die Tür auf) Lass uns nach hinten gehen. Da ist es etwas ruhiger als direkt hier vorne.

Jenny: Okay.

Sebastian: Was willst du trinken?

Jenny: Einen Kakao.

Sebastian: Auch noch ein Stück Kuchen?

Jenny: Ich weiß nicht.

Sebastian: Ach, komm schon. Ich hab doch beim Mittagessen gesehen, dass du fast nichts gegessen hast. Kann dich aber verstehen; ich mag auch keine Erbsensuppe.

Jenny: (schmunzelt) Also gut, überredet. Dann nehm ich noch einen Apfelstrudel zu dem Kakao.

Sebastian: Mit Vanilleeis und Sahne?

Jenny: Wenn du schon so fragst, warum nicht?

Sebastian: Okay. Such dir schon mal ein Plätzchen, ich bestell eben und komm dann nach.

Jenny: Okay.

In einer von Efeu umgebenen, leicht abgeschirmten Ecke setzt Jenny sich auf eine Bank und wartet auf Sebastian. Sie sitzt noch nicht lange, als dieser bereits zu ihr kommt und sich auf die Bank ihr gegenüber setzt.

Sebastian: Kakao und Kuchen kommen gleich.

Jenny: Okay. Soll ich dir gleich sagen, warum ich diese Nacht nicht schlafen konnte oder warten wir noch?

Sebastian: Mir ist das egal. Was dir lieber ist.

Jenny: Okay, dann warten wir noch.

Wenig später bringt die Kellnerin Kakao und Apfelstrudel. Nachdem sie wieder weg ist, atmet Jenny tief durch.

Sebastian: Wenn du willst, können wir auch erst essen. Und dann erzählst du mir danach, was dich bedrückt.

Jenny: Nee, lieber jetzt. Dann hab ich’s hinter mir.

Sebastian: Gut. Dann schieß mal los.

Aufmerksam schaut Sebastian Jenny über den Tisch an. Um ihr zu zeigen, dass er für sie da ist, umfasst er vorsichtig Jennys Hand mit seiner und drückt diese leicht.

Sebastian:  Wenn du nicht möchtest, ist auch okay. Ich dachte nur, es würde dir vielleicht gut tun, mit jemandem über das, was dich bedrückt, zu reden.

Jenny: Doch, doch, schon okay. Vielleicht hilft es mir ja wirklich. (holt noch mal tief Luft) Also, als du gestern zu mir gesagt hast, ich müsste zum Direx kommen, bin ich natürlich sofort hin. Lars war auch da und dann noch ein Herr Mertens von der Polizei. Er hat uns dann gesagt, dass unsere Eltern (räuspert sich) einen schweren Verkehrsunfall hatten. Als wir dann später noch mal kommen sollten, hieß es, dass unser Vater wieder fit sei. Aber (zögert) bei unserer Mutter würde die Nacht und der heutige Tag entscheiden. Des­halb konnte ich auch nicht schlafen.

Sebastian: Oh scheiße, das tut mir leid. Hast du denn heute schon irgendwas gehört?

Jenny: Nein. Das ist es ja eben. Diese Ungewissheit macht mich noch ganz wahnsinnig.

Sebastian: Das kann ich mir vorstellen.

 

***

Zur gleichen Zeit sitzen Sally und Nina in ihrem gemeinsamen Zimmer und unterhalten sich.

Nina: Ich bin ja mal gespannt, ob Jenny München gefällt.

Sally: Ja, ich auch. Aber Lars zeigt ihr bestimmt ein paar schöne Fleckchen.

Nina: Könnte ich mir auch vorstellen. Komisch, normalerweise macht Sebastian das doch.

Sally: So komisch find ich das gar nicht. Immerhin hat sie doch ihren Bruder hier.

Nina: Ja, stimmt, hast Recht.

Plötzlich kommt dieser in ihr Zimmer gestürmt.

Nina: Hey! Kannst du nicht anklopfen?

Lars: Sorry, aber ich muss Jenny abholen. Wir müssen sofort zum Lorenz. Wisst ihr, wo sie ist?

Sally: (erstaunt) Schon wieder zurück aus München?

Nina: Wie war’s denn? Hat’s Jenny gefallen?

Lars: Hä? Könnt ihr euch mal bitte etwas deutlicher ausdrücken. Und überhaupt, wie kommt ihr darauf, dass ich mit Jenny in München war?

Nina: Naja, sie hat’s uns vorhin gesagt. Seid ihr denn gar nicht in München gewesen?

Lars: Also, mit mir war oder ist sie definitiv nicht nach München runter. Ich habe sie heute Mittag beim Essen zum letzten Mal gesehen.

Sally: Das heißt ja dann soviel wie, sie ist gar nicht mit dir nach München gegangen, sondern mit jemand anderem oder alleine. Soll ich sie auf dem Handy anrufen?

Lars: Nee, lass mal. Ich geh alleine zum Lorenz und sag’s ihr dann später oder ruf sie selber an.

Sally: Okay. Dann toi, toi, toi.

Lars: Danke.

Lars macht sich auf den Weg zu Herrn Lorenz.

 

***

In München haben Jenny und Sebastian mittlerweile bezahlt und sind kurzerhand noch in den nahegelegenen Park gegangen. Dort spricht Sebastian den Unfall noch mal an.

Sebastian: Weißt du denn, wann sich euer Vater oder das Krankenhaus wieder melden wollten?

Jenny: Nein, weiß ich nicht. Eigentlich weiß ich überhaupt nichts. Ich denk schon die ganze Zeit darüber nach, ob ich Paps einfach mal anrufen soll. Aber was soll ich ihm sagen? Wie soll ich die richtigen Worte finden? Und vor allem: Was, wenn er denkt, dass ich an allem Schuld bin? Verstehst du, was ich meine?

Sebastian: Ich kann mir wirklich nur schwer vorstellen, was du gerade durch machst. (legt eine Hand auf Jennys Schulter) Aber eins weiß ich: du musst aufhören, dir Vorwürfe zu machen. Dieser Unfall, er hätte jederzeit passieren können, auch bei euch zuhause.

Jenny: Ja, schon, aber trotzdem. Wenn ich nicht ...

In dem Moment klingelt Jennys Handy.

Jenny: Oh, das ist Lars. (nimmt den Anruf an) Hi, Lars. Was gibt's? Hat Paps sich endlich gemeldet?

Lars: Komm bitte ganz schnell zurück ins Internat.

Jenny: Was ist denn?

Doch sie bekommt keine Antwort mehr. Ihr Bruder hat schon wieder aufgelegt.

Sebastian: (besorgt) Gibt es was Neues?

Jenny: Ich weiß nicht. Irgendwas ist auf jeden Fall. Ich soll schnell zurück ins Internat kommen.

Sebastian: Okay. Komm, wir nehmen den Bus.

Jenny: Wann fährt der denn?

Sebastian: (schaut auf die Uhr) Ungefähr in zehn Minuten. So ein Mist, wenn man mal dringend einen Bus braucht, dann kommt natürlich keiner.

Jenny: Zehn Minuten? Können wir da nicht schon ein ganzes Stück von der Strecke geschafft haben?

Sebastian: Stimmt. Also los, gehen wir.

Die beiden eilen in Richtung des Internats. Nach 15 Minuten hören sie den Bus hinter sich und sprinten zur nahegelegenen Bushaltestelle. Wenige Minuten später sehen sie bereits die von Efeu und Weinlaub umrankten Mauern rund um das Internatsgelände.

 

***

Lars wartet bereits ungeduldig vor dem Tor auf Jenny. Endlich sieht er sie, in Begleitung von Sebastian, aus dem Bus steigen und läuft den beiden eilig entgegen.

Jenny: Lars! Was ist los? Gibt's endlich was Neues von Mutti? Hat Paps angerufen?

Lars: Wir sollten zum Lorenz kommen. Aber als ich von Nina und Sally gehört hab, dass du angeblich mit mir in München wärst, bin ich alleine zu ihm gegangen.

Jenny: Und? Jetzt sag schon!

Sebastian: Soll ich gehen?

Jenny: Wegen mir nicht. Du weißt doch eh Bescheid, falls es um den Unfall geht.

Lars: Von mir aus kannst du auch bleiben.

Sebastian: Okay.

Jenny: Bist du jetzt sauer auf mich, Lars?

Lars: Nein. Warum sollte ich? Ist schon okay.

Jenny: Gut. Aber ... jetzt sag bitte endlich, was du weißt.

Lars: Paps hat den Lorenz wieder angerufen. Mutti hat’s nicht geschafft. Sie ist tot.

Jenny: Was? NEIN! Warum?

Weinend fallen Jenny und Lars sich in die Arme. Sebastian lässt sie zunächst eine Weile in Ruhe, bevor er sich leise wieder zu Wort meldet.

Sebastian: Wollt ihr jetzt lieber alleine sein?

Lars: Nee, bleib ruhig.

Jenny: (löst sich aus der Umarmung ihres Bruders) Tut mir leid, aber ich muss jetzt erstmal alleine sein.

Lars: Wie du meinst ... Wir sehen uns später.

Jenny: Ja, okay. Bis nachher.

Lars & Sebastian: Okay.

 

***

Langsam geht Jenny auf den Eingang des Internats zu.

Jenny: Warum? Warum musste das passieren? Wäre ich doch bloß zuhause geblieben ...

In ihrem Zimmer trifft sie auf Nina und Sally.

Nina: Hi, Jenny. Wie war’s in München?

Doch Jenny gibt keine Antwort. Sie wirft sich auf ihr Bett, vergräbt schluchzend den Kopf in ihrem Kissen und bleibt nahezu regungslos liegen.

Sally: Hey, was ist denn?

Jenny: Es ist alles meine Schuld ...

Nina: Wie meinst du das?

Jenny: Ach, das versteht ihr eh nicht.

Sally: Manchmal hilft es aber, wenn man redet.

Jenny: (dreht den Kopf zur Seite) Meinst du wirklich?

Sally: Klar. Sonst würd ich’s ja nicht sagen.

Nina: Na komm. Jetzt sag schon, was los ist.

Jenny: Wenn ich nicht unbedingt ins Internat gewollt hätte, dann wär alles nicht passiert!

Nina: Was meinst du?

Jenny: Na der Unfall gestern. Und jetzt (schluchzt) jetzt ist unsere Mutter tot. Und ich bin schuld!

Sally: Quatsch. Du kannst doch nichts dafür, dass eure Eltern einen Unfall hatten.

Jenny: Doch! Wenn sie mich nicht hierhin gebracht hätten, wär der Unfall nicht passiert.

Nina: Red dir jetzt bitte nicht ein, dass du schuld bist.

Jenny: Du hast leicht reden. Du hast doch keine Ahnung, was das für ein Gefühl ist.

Nina: Meinst du? Meine Mutter ist vor vier Jahren auch bei nem Unfall gestorben, weil so ein blöder Idiot nicht aufpassen konnte. Und das, nachdem sie mich zu einer Freundin gefahren hatte.

Jenny: Echt? Das hab ich nicht gewusst. Sorry.

Nina: Ist schon okay. Woher solltest du das auch wissen?

In der Zwischenzeit hat Sally sich aus dem Zimmer zurückgezogen. Ihrer Meinung nach, ist Nina die Bessere von ihnen, wenn es darum geht, jemandem Trost zu spenden.

 

***

In der Mensa treffen sie einige Zeit später wieder aufeinander. Nach einigem Überlegen haben sich auch Jenny und Lars dazu entschlossen, gemeinsam mit ihren Mitschülern zu Abend zu essen. Sie hoffen, dass ihnen die Ablenkung gut tut und werden nicht enttäuscht.

Anschließend können sie sich jedoch nicht dazu durchringen, mit in die Gemeinschaftsräume zu gehen. Stattdessen wollen sie noch ein paar Bahnen schwimmen. Am Büro von Herrn Stein angekommen, will Lars gerade anklopfen, als die Tür aufgeht und dieser raus kommt.

Herr Stein: (überrascht) Oh, hallo. Wollt ihr zu mir?

Lars: Ja. Wir wollten fragen, ob wir noch für ne Stunde oder so in die Schwimmhalle dürfen.

Herr Stein: Das ist schwierig. Der Bademeister hat um diese Zeit schon Feierabend und so müsste jemand anders als Aufsichtsperson einspringen.

Jenny: Schade. Aber, naja, so wichtig ist es nicht. Wenn’s nun mal nicht geht, kann man nichts machen.

Lars: Genau. Dann gehen wir so noch was raus. Ist ja auch kein Problem, oder, Jenny?

Jenny: Nee, kein Thema.

Herr Stein: Lasst mich mal kurz überlegen. Wie viel Uhr haben wir denn jetzt?

Lars: Gleich halb acht.

Herr Stein: Okay, sagen wir in einer halben Stunde an der Schwimmhalle. Dann habt ihr noch eine Stunde Zeit zum Schwimmen. Aber fragt bitte vorher, ob noch andere mitkommen wollen.

Jenny: Machen wir. Danke.

Herr Stein: (lächelt) Ist schon okay.

 

***

Lars und Jenny klappern die Gemeinschaftsräume ab, doch es hat kaum jemand Lust, mit in die Schwimmhalle zu gehen. Nur Martin, Nico, Marco, Sally und Nina, sowie Sebastian und Mirco schließen sich den beiden an.

Um acht Uhr werden sie am Eingang der Schwimmhalle bereits von ihrem Lehrer erwartet.

Herr Stein: (erstaunt) Seid ihr nicht in allen Gemeinschaftsräumen gewesen?

Lars: Doch, waren wir. Aber da wollte keiner mit.

Herr Stein: Nun gut, dann kommt mal mit rein.

Er schließt die Tür der Schwimmhalle auf und kurz darauf stürzen die neun Jugendlichen sich ins Sportbecken. Die Zeit vergeht wie im Flug und pünktlich um neun Uhr jagt Herr Stein sie wieder aus dem Wasser.

Ein paar Minuten später, auf dem Rückweg ins Hauptgebäude, kommt Marco eine Idee. Er versichert sich zunächst durch einen Rundumblick, dass niemand von den Älteren etwas mitbekommt, bevor er mit seiner Idee rausrückt.

Marco: Sagt mal, habt ihr Lust, später noch zu uns aufs Zimmer zu kommen?

Lars: Definiere später.

Marco: (lacht) Ich dachte, so um Mitternacht. Wir haben dieses Schuljahr noch gar nicht über die Strenge geschlagen. Langsam wird's langweilig.

Jenny: Ich weiß nicht. Ehrlich gesagt, ist mir absolut gar nicht nach feiern zumute.

Nina: Ach komm, Jenny. Außerdem feiern wir ja auch nicht wirklich. Nur ein bisschen plaudern bei Nervenkitzel.

Sally: Genau, der Nervenkitzel lenkt Lars und dich vielleicht auch ein bisschen ab.

Nico: Das auf jeden Fall. Ihr könnt doch sicher heute sowieso nicht wirklich schlafen.

Lars: Da könntest du sogar Recht haben.

Martin: Also, seid ihr alle dabei?

Jenny: Okay. Aber ...

Marco: Kein aber. Wir bringen euch auf andere Gedanken. Dafür sind Freunde doch da.

Lars: Danke.

Martin: Super! Dann sehen wir uns also um Mitternacht bei uns auf dem Zimmer.

Mirco: Alles klar.

In ihren Zimmern angekommen, stellen sie ihre Wecker und verschwinden anschließend umgehend in ihren Betten.

 

***

Als um fünf vor zwölf die Wecker angehen, schrecken sie aus dem Schlaf auf. Während die Jungs um Punkt Mitternacht alle im verabredeten Zimmer sind, fehlt von den drei Mädels jede Spur.

Marco: Hoffentlich haben die jetzt nicht verpennt.

Lars: Quatsch. Aber wenn’s dich beruhigt, kann ja einer von uns rüber gehen und nachsehen.

Nico: Ich glaub nicht, dass das nötig sein wird. Wenn sich meine Ohren nicht täuschen, sollten sie jeden Moment zur Tür reinkommen.

In dem Moment klopft es leise an die Tür.

Martin: Kommt rein.

Sally: Kann bitte mal einer die Tür aufmachen?

Sebastian: Was soll das denn jetzt?

Nico: Das werden wir wohl nur erfahren, wenn wir sie reinlassen. Sebastian, würdest du vielleicht?

Sebastian: Klar, kein Problem.

Er steht auf, öffnet die Tür und lässt Nina, Sally und Jenny ins Zimmer rein.

Martin: Wow. Was schleppt ihr denn da alles an? Habt ihr Angst gehabt, wir würden verhungern?

Jenny: Nee, das nicht gerade. Aber was zu essen kann um Mitternacht doch nicht schaden, oder?

Mirco: Da hast du allerdings recht.

Nach und nach vernichten sie die Vorräte der Mädels. Auch Jenny und Lars amüsieren sich wider Erwarten auf der kleinen Mitternachtsparty. Doch ihr Spaß wird jäh gestört, als sie draußen auf dem Flur Geräusche vernehmen.

Nina: Psst, seid mal still. Ich hör irgendwas.

Sie werden auf der Stelle ruhig, löschen das Licht und warten mit angehaltenem Atem, was passieren wird. Die Schritte halten genau vor der Zimmertür und sie erkennen die Stimmen wieder.

Herr Stein: Hier hast du also etwas gehört?

Klaudia: Ganz genau.

Herr Stein: Okay. Du weißt, dass ich es nicht leiden kann, wenn man mich mitten in der Nacht aus dem Schlaf reißt.

Klaudia: Ja, aber...

Herr Stein: Nichts aber. Du gehst jetzt sofort zurück auf dein Zimmer und schläfst. Sollte hier wirklich eine Mitternachtsparty stattfinden, kümmere ich mich schon darum.

Scheinbar kleinlaut geht Klaudia wieder zurück in ihr Zimmer. Insgeheim freut sie sich aber, dass sie den anderen eins reinwürgen kann.

Herr Stein wartet noch einen Moment, bevor er die Tür öffnet. Als er das Licht anknipst, sieht er die neun im Kreis auf dem Boden sitzen.

Herr Stein: Was ist denn hier los?

Nina: Wir ... ähm ... wollten Lars und Jenny ein bisschen ablenken und aufmuntern.

Herr Stein: Ah ja. Und das soll ich euch jetzt glauben?

Sally: Warum denn nicht?

Herr Stein: Das überleg ich mir noch mal in Ruhe. Und jetzt seht, dass ihr in die Federn kommt. Ich erwarte euch morgen nach dem Frühstück in meinem Büro. Verstanden?

Sebastian: Ist okay.

Herr Stein: Dann aber jetzt mal hurtig!

Schnell begeben sie sich in ihre Betten und sind binnen kürzester Zeit eingeschlafen. 

 

[...]